Die Pandemie als Chance – Mensch, seid doch mal kreativ

Künstler und Künstlerinnen sind besonders hart getroffen und Kulturunternehmer und Autoren auch. Wir haben ein Paar besucht, das die gesamte Palette der Schädigung erlebt.

Tanja Schleiff ist Schauspielerin (Ella Schön, Tatort, Düsseldorfer Schauspielhaus) und René Heinersdorff ist Autor, Regisseur und Theaterunternehmer mit drei Häusern und ebenfalls Schauspieler.

René
Während andere Staatsoberhäupter am Anfang den Kampf gegen das Virus als Krieg bezeichneten, als Krise, aus der ihre Nationen gestärkt wieder hervorgehen würden oder die Pandemie leugneten, wendete sich die Kanzlerin mit dem Hinweis an das Volk, man könne die Zeit ja auch nutzen, „um der Mutti mal einen Brief zu schreiben“. Vermutlich meinte sie mit Mutti sich selber, mir ist nicht bekannt, wie viele Brief sie daraufhin erhielt. Ich habe oft davon geträumt, ihr einen Brief zu schreiben.

Tanja
Sie wollte ja nur damit sagen, dass in dem Lockdown – damals wussten wir ja noch nicht, dass es mehrere geben wird – auch Chancen liegen, Dinge zu tun, zu denen man sonst nicht kommt.

René
Wir Künstler wurden oft ermahnt: Mensch, seid doch mal kreativ, wenn nicht ihr Künstler, wer dann? Macht doch mal was, jetzt könnt ihr zeigen, wie man aus einer Krise schöpft.

Tanja
Ich begreife viel von den Figuren, die ich verkörpere durch die Beobachtung und den Umgang mit anderen Menschen. Im Café, auf der Straße, beim Sport. Plötzlich sind diese Quellen weg. Und dann klingt der Satz: Sei doch mal kreativ, wie Hohn.

Rene
Das ist auch eine sehr romantische Vorstellung von Künstlerdasein. Und meistens gefordert von Leuten, deren Monatsgehalt weiter fließt, oder die von Pandemie-unabhängigen Berufen leben.

Tanja
Die Bewältigung der Ängste, die durch die, nun über ein Jahr andauernden beängstigenden Gesichtsausdrücke von Frau Merkel und Herrn Lauterbach hervorgerufen werden, und denen man ja nicht entkommt, kostet viel Kraft, auch bei den Kindern.

Rene
Und Streeck wird beschimpft, nur weil er positiver wirkt und Hoffnung ausstrahlt. Corona zu leugnen ist sicher zu Recht geächtet. Die Nation aber in jeder Talkshow und bei jeder Pressekonferenz mit Totengräbermine zu drangsalieren, finde ich genauso schlimm.

Tanja
Ich habe viel weniger Zeit, als vor Beginn der Pandemie. Das fängt mit den Kindern an, die entweder gar nicht betreut werden oder nur fragmentarisch. Das betrifft aber auch die Beschäftigung mit den Dingen, die das nach sich zieht. Das Einrichten des Distanzunterrichts, Adäquate zu finden für Bewegung, Tagesabläufe so zu organisieren, dass ein Mindestmaß an sozialen Kontakten erhalten bleibt, an Bildung, an kulturellem Angebot. Meine Kinder wachsen, auch während Corona und ich verstehe nicht, warum ich mich im Supermarkt durchquetschen darf, aber nicht zu zweit in einen Klamottenladen oder in eine Galerie.

Rene
In Bussen und Bahnen steht man dicht an dicht, im Museum sehe ich auch vor der Pandemie an Wochentagen kaum Menschen. Übrigens: Die Bundesbahn auf den Fernstrecken ist ziemlich leer. Ich fahre manchmal länger Strecken, um keinem zu begegnen.

Tanja
Zum Glück haben mittlerweile anerkannte Hygienekonzepte dazu geführt, dass wir wieder drehen können.

Rene
Diese Konzepte gibt es beim Theater schon lange, auch vor Corona. Sie sind Vorschrift, werden vom TÜV geprüft und lassen physikalisch eine Ansteckung, mangels Aerosolbildung garnicht zu. Hier hat die Politik versäumt, Kulturinstitutionen zu geschützten, kontrollierbaren Räumen zu nutzen, in denen man der sozialen Vereinsamung hätte etwas entgegensetzen können.

Tanja
Selbst Außen-Sport auf Distanz, wie Tennis, war verboten, Golf! Hier hätte ich mir schon gewünscht, dass man dem einzelnen Bürger mehr Eigenverantwortung zutraut. Keiner von uns will sich anstecken.

Rene
Das ist für mich das Schlimmste: Dieser Internatsleitergestus von Söder, Spahn und Wieler. „Wenn Ihr Euch benehmt, dürft Ihr auch mal wieder raus.“ Diese dauernden Ermahnungen!!! Und dann die Impf-Organisation in dieser Form versemmeln. Mensch, seid doch mal kreativ!

In Pandemiezeiten kann man auch mal was Ausgefallenes kochen
Man kann mal nachhaltig an der Beziehung arbeiten
Man hat mal Ruhe zu Schreiben
Man lernt noch mal Mathe
Man kann was für die Gesundheit tun

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